Was Ihnen hier hätte den Weg zum schnellen Durchbruch (im Gegensatz zur systematischen, logischen Analyse) ebnen können, wäre die sozusagen kreative Deutung des mittleren Quadrats als „Loch“ in der Figur.


Am Problem/der Aufgabe hat sich nichts geändert – was sich geändert hat, ist Ihre Wahrnehmung. Die Lösung liegt in greifbarer Nähe, und durch die Idee, das rechte Quadrat nach aussen zu verlegen, plötzlich auf der Hand.

Ein Faktor, der uns oft das Finden einer Lösung erschwert, sind unsere Annahmen über das Problem und vor allem über die Natur der Lösung (die wir zudem auf der Ebene des Problems vermuten und suchen). Häufig wird bei dieser und ähnlichen Aufgaben das Finden der Lösung durch die (meist sogar unbewusste) Annahme geradezu verunmöglicht, das „Spielfeld“ sei begrenzt auf den hier rot umrandeten Bereich:


Solch eine Regel ist weder in der Aufgabenstellung ausdrücklich erwähnt noch impliziert. Dennoch ist sie aus irgendeinem Grund so selbstverständlich in der Vorstellung des Lösungssuchers verankert, dass er sich dieser selbsterfundenen Barriere oft noch nicht einmal bewusst ist.

Wo wir gerade dabei sind:
Die griechische Sage vom Gordischen Knoten erzählt von einer „genialen“ Lösung. Das Orakel hatte prophezeit, dass derjenige, dem es gelänge, den kompliziert geknüpften Gordischen Knoten zu lösen, die Herrschaft über Asien zuteil werden würde.
Nachdem viele starke, kluge und geschickte junge Männer sich vergeblich an dieser Aufgabe versucht hatten, löste eines Tages Alexander, der gerade auf der Durchreise war, die Aufgabe, indem er den Knoten mit seinem Schwert durchschlug.

Wir können hier drei weitere – sich gelegentlich auch überschneidende – Arten von Annahmen über ein Problem und dessen Lösung identifizieren, die das Sehen einer naheliegenden Lösung zuverlässig verhindern können:

1. Die Lösung ist zu leicht. Wir haben die Annahme, dass das Problem schwerwiegend ist, und daher die Lösung auch schwer zu erreichen sein muss. Beim Gordischen Knoten könnte sie allein schon durch die Tatsache suggeriert sein, dass für die Lösung eine hohe Belohnung ausgesetzt ist (keiner würde einen so hohen Preis aussetzen für etwas, das jeder kann!) .
Bei unsern persönlichen Problemen hat sich diese Annahme häufig dadurch festgesetzt, dass sie uns sehr belasten und uns schon eine lange Zeit begleiten. Da, wo einfache Lösungen zu finden sein könnten, gucken wir erst gar nicht.

2. Haben Sie sich bei der Lösung des Gordischen Knotens auch bei dem vagen Gefühl erwischt: „Naja, gut – aber das ist doch irgendwie geschummelt!“ oder „Kaputtmachen ist nicht in Ordnung!“? Oft stehen uns beim Sehen einfacher Lösungen (eigene oder bei andern vermutete) Regeln, Moralitäten oder Ethiken im Wege. Verstehen Sie mich nicht falsch: Solche moralischen Grundsätze haben wir alle, und es ist nur folgerichtig und wünschenswert, wenn wir uns entsprechend verhalten und eine „unmoralische“ Lösung verwerfen. Bermerkenswert ist nur, dass wir sie vielleicht noch nicht einmal sehen (um sie dann ggf. verwerfen zu können).

3. Annahmen über Sprachregelungen, die unsere Wahrnehmung bestimmen. Man könnte darüber streiten, was genau „einen Knoten lösen“ bedeutet. Vielleicht hat der Kandidat bei der Aufgabenstellung die engere Bedeutung („lose machen“ – also non-destruktiv rumfummeln, bis das Seil entwirrt aber intakt vor mir liegt) gehört. Er kennt zwar auch die weitere Bedeutung („auflösen -wie auch immer“), hat aber nicht in Betracht gezogen, dass der Aufgabensteller diese gemeint haben könnte.
(Da aber der Sage zufolge Alexander daraufhin tatsächlich siegreich durch Asien zog, scheint das Orakel mit dieser eher lockeren Interpretation von „lösen“ nicht nur durchaus einverstanden gewesen zu sein, sondern vielleicht sogar genau diese gemeint zu haben.)

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